Nachdem ich vor 2 Wochen für einfache Dispositionen plädiert habe, begründe ich jetzt gerne noch meine Empfehlung, Gliederungen dem Thema angemessen zu gestalten.
Dispositionen werden eigentlich nicht gemacht. Sie werden vielmehr gefunden. Ich bin überzeugt: Wenn das Thema feststeht und ich Material zu diesem Thema gesammelt habe, dann liegt in diesem Haufen von Informationen bereits eine Struktur verborgen, eine Gliederung, die dem Thema entspricht. Ich muss sie nur finden, und das kann einfacher oder schwieriger sein.
Erstes Beispiel
Ich schreibe einen Aufsatz über Mutter Teresa. Bei einer solchen biografischen Arbeit liegt eine chronologische Anordnung der Informationen nahe. Deshalb ist die Gliederung des Wikipedia-Artikels über Mutter Teresa durchaus angemessen:
- Frühe Jahre und Ausbildung
- Arbeit in Indien
- Tod und Seligsprechung
Für eine chronologische Gliederung werden die Informationen in sinnvolle Epochen geteilt, die dann als Bausteine dienen.
Zweites Beispiel
Auf eine Variante der chronologischen Anordnung habe ich im Artikel über einfache Dispositionen hingewiesen:
- Einführung
- Wie es war.
- Wie es heute ist.
- Wie es werden soll.
- Schluss
Eine solche Gliederung kann als Grundlage eines Plädoyers für Veränderung wirkungsvoll sein.
Drittes Beispiel
Auch für diesen Artikel habe ich eine Disposition erstellt. Die Chronologie hat mir dabei jedoch keine Hilfe geboten. Deshalb habe ich mich gefragt: Was will ich mit diesem Beitrag erreichen? Die Antworten:
A. Impulse für die Praxis geben.
B. Erklären, was ich unter einer angemessenen Disposition verstehe.
C. Meine Überzeugung unterstreichen, dass nicht nur der Inhalt einer Mitteilung etwas kommuniziert, sondern auch ihre Form.
A ist mein Hauptanliegen und geschieht am besten durch Beispiele. B ist grundlegend und bietet sich für die Einleitung an und C kann als Schlussimpuls den Kreis schliessen. So ergibt sich folgende Gliederung:
- Einführung: Gliederungen werden nicht gemacht, sondern entdeckt.
- Beispiele für die Praxis
Erstes Beispiel
Zweites Beispiel
Drittes Beispiel
Viertes Beispiel - Schluss: Auch die Form kommuniziert.
Viertes Beispiel
Beim Reden über ein zwiespältiges, spannungsgeladenes Thema kann eine angemessene Disposition Zuhörer oder Leser die Spannung spüren lassen. Wenn ich kontinuierlich zwischen Schwarz und Weiss hin- und herspringe, dann ist das viel wirkungsvoller, als wenn ich zuerst lange über Weiss und dann lange über Schwarz spreche. Ein Wechselspiel von Vor- und Nachteilen einer Sache lässt den Zuhörer ein Dilemma viel stärker spüren als eine Aneinanderreihung zuerst der Vor- und dann der Nachteile. (Eine solche Gliederung ist jedoch nur dann sinnvoll, wenn ich die Spannung vermitteln und stehen lassen will. Sobald ich entweder von Vor- oder Nachteilen überzeugen will, die einen also gegen die anderen ausspielen, muss ich anders gliedern, um meine Argumenten gegenüber anderen ins bessere Licht zu stellen.)
Längst nicht immer geht es jedoch um Vor- und Nachteile. Gegensätze können sich ja auch gleichwertig gegenüber stehen und dennoch Gegensätze bleiben. Spannung gehört schliesslich zum Leben. Nehmen wir an, ich hätte eine Traupredigt zu halten und möchte dabei etwas vom Facettenreichtum der Ehe zum Ausdruck bringen; auch davon, welche Spannungen dieser Reichtum mit sich bringt. Folgende Disposition wäre denkbar und würde mein Anliegen gut unterstützen:
- Einführung
- Die Ehe ist ein Geschenk.
- Die Ehe ist harte Arbeit.
- Die Ehe ermöglicht Entfaltung.
- Die Ehe verlangt Selbstbeschränkung.
- Die Ehe fördert meine Stärken.
- Die Ehe zeigt mir meine Schwächen.
- Schluss
2 und 3, 4 und 5, 6 und 7 bilden jeweils Gegensatzpaare. Das Wechselbad einer solchen Disposition wird für die Zuhörer spürbar. Hier wird nicht nur von Spannung geredet, hier wird sie auf der Ebene der Struktur auch vermittelt.
Die Gliederung zu entdecken, die im Thema bereits verborgen liegt, gelingt in der Regel nicht auf den ersten Blick. Es gilt, nicht zu schnell aufzugeben, denn auch die Form, in die wir unsere Botschaft packen, teilt etwas mit; und ein Aspekt dieser Form ist die Gliederung der Gedanken. Eine angemessene Disposition spiegelt das Wesen der Botschaft wieder und vermag sie dadurch kräftig zu unterstreichen.
[…] Eine Gliederung, die einfach und angemessen ist, macht nicht nur dem Verfasser die Arbeit leichter. Sie ermöglicht auch dem Leser oder Zuhörer einen bequemeren Zugang zum Inhalt. Was es nun konkret bedeutet, eine Disposition einfach und angemessen zu gestalten, werde ich in zwei Folgeartikeln beschreiben: hier und hier. […]