Als ob Viren an sich nicht schon mühsam genug wären! Auch in der Rechtschreibung machen sie uns das Leben schwer – oder doch zumindest unsicher. Heisst es nun der oder das Virus? Männlich oder sächlich? Beides ist zu lesen und zu hören, so dass man sich auf das eigene Sprachgefühl kaum verlassen kann. Da erstaunt es auch wenig, dass die Lösung nicht ganz eindeutig ist und einigen Spielraum zulässt.
Virus stammt aus dem Lateinischen, wo es “Schleim” oder “Gift” bedeutet und sächliches Geschlecht hat. Das Virus ist also die ältere Variante, die heute vor allem noch in der medizinischen Fachsprache zum Zug kommt. So wird man kaum einen Arzt über den Schweinegrippevirus sprechen hören. Hier heisst es standardmässig und konsequent nach wie vor das Virus. Die männliche Variante der Virus hingegen scheint mir mit dem Aufkommen der Computerviren in Mode gekommen zu sein und erobert von dort die Umgangssprache in allen Bereichen. So ist es inzwischen auch überhaupt nicht aussergewöhnlich, wenn ein medizinischer Laie “der Grippevirus” sagt.
Meine Prognose: In wenigen Jahren werden normale Menschen erstaunt die Augenbrauen heben, wenn sie hören, wie Mediziner und eigenwillige Sprachpuristen Virus mit einem sächlichen Artikel verwenden. Sie werden dann fragen: “Wie bitte?” und die letzten Widerständler dazu zwingen, um der erfolgreichen Kommunikation willen gegen ihr Gewissen zu handeln und einzugestehen, dass sie natürlich “den Virus” gemeint haben.
David meint
Fällt mir erst nach deinem Kurzabriss der Geschichte auf: ich benutze den Begriff wirklich meistens so getrennt: der Virus beim Compi, das Virus im medizinischen. Aber wohl zugegebenermassen nicht soooo konsequent ;-).
Wir stolperten vor kurzem über etwas Ähnliches. Weiss nur leider nicht mehr was. Aber vermutlich gibts wirklich noch mehr solche Fälle.
Was mich auch mal interessieren würde: Viele Worte haben ja mehrere Bedeutungen. Bsp. die Birne = Frucht oder Glühkörper. Wieso sagen die Lehrer in der Schule im Kanton Schwyz dem Teekessel?
Cla Gleiser meint
@David
Also wie jetzt? Die Lehrer im Kanton Schwyz nennen den Glühkörper Teekessel? Oder die Frucht? Das ist ja originell.
Ändu meint
Das gleiche Phänomen ist auch bei der/das Blog zu entdecken. „Das Blog“ sagen wir, weil der Begriff ursprünglich von Weblog (also „das Logbuch“ im Web) kommt. Da fragt sich nur, warum wir Deutschsprecher daraus einen männlichen Blog gemacht haben? vielleicht hat der Blog einfach einen männlichen Anklang (eventuell ist auch die klangliche Ähnlichkeit mit „der Block“ daran beteiligt).
Cla Gleiser meint
@Ändu. Ein interessanter Vergleich. Duden offeriert beide Möglichkeiten. Allerdings scheint mir in der Schweiz die männliche Variante viel verbreiteter zu sein. Ich glaube jedenfalls nicht, dass ich hier schon jemals „das Blog“ gehört habe.
David Gysel meint
In der Schweiz kann man auch Worte „verweiblichen“. „Die“ Tour de Suisse/France… Sagt ja nicht zu einem Welschen oder Franzosen: „la tour de Suisse/France…“. Er würde nämlich „der Turm…“ verstehen. Der Radsport führt „le tour de…“ durch (ist ja auch logisch, das Thema interessiert wohl mehr Männer als Frauen…).
Peter meint
Wie ist das denn bei einer Mail? oder sagst Du das Mail?
Also ich verwende die weibliche Form, bin aber damit vermutlich in der Minderheit, was mir nichts ausmacht, denn als männliches Wesen kann ich damit umgehen zur Minderheit zu gehören…
Cla Gleiser meint
Lieber Peter
Ich sage „das Mail“ (meistens sogar „das E-Mail“) – und gebe mich damit klar als Schweizer zu erkennen. Hochdeutsch ist „die Mail“ korrekt (gemäss Duden).
Gruss!
info product killer review meint
You are a very intelligent person!
Cla Gleiser meint
Well, thank you, dear info product killer review.
So are you.
Fina meint
Ich bin Ärztin. Mir rollen sich bei „der“ Virus, egal, in welchem Zusammenhang, die Fußnägel hoch. Ich empfinde „der“ und „Virus“ absolut unpassend zueinander, schon allein vom Sprachgefühl her… Geht irgendwie gar nicht.
Cla Gleiser meint
Guten Morgen, Fina
Danke für Ihren Kommentar. Logisch, sehe ich auch so. Und für Sie als vom täglichen Umgang mit der Fachsprache geprägte Person muss das noch heftiger sein. Gleichzeitig kann ich die Entwicklung schon auch nachvollziehen, weil wir doch recht viele lateinische Wörter auf -us haben, die männlich sind. Humus, zum Beispiel (und auch Hummus ist männlich, wenn auch nicht lateinisch) oder Klerus, Status, Luxus, Nukleus und dann natürlich die ganzen -ismen. Daher hat jeder mein grösstes Verständnis, der beim Virus «reinfällt». Auch wenn’s mir selbst heftig gegen den sprachlichen Strich geht.