Über das (nicht nur sprachlich) manchmal nicht ganz unkomplizierte Miteinander von Deutschen und Schweizern wurde ja schon viel geschrieben und diskutiert. Ist es da wirklich nötig, dass ich meinen Senf auch noch dazugebe?
Klar!
In einem Katalog bin ich auf dieses Bilderbuchbeispiel gestossen, das kräftig illustriert, wie tückisch die Sache mit dem Hochdeutschen in der Schweiz sein kann. Dramatisch ist das allerdings nicht, denn diese Probleme scheinen mir durchaus auch integrierendes Potenzial zu haben. Immerhin betreffen sie ja ebenso Schweizer, die sich hochdeutsch ausdrücken wollen oder müssen wie Deutsche, die in der Schweiz mit diesen Versuchen konforntiert sind.
Die in einem Katalog angepriesene Plastikdose in Bananenform soll nun dazu beitragen, dass keine Bananen mehr verdrückt werden. Und jetzt wird es doch etwas dramatisch, denn hier verkehrt der Missgriff die Aussage beinahe in ihr Gegenteil. Wenn ich das Konzept nämlich richtig verstehe, dann besteht die beabsichtigte Wirkung der Dose doch vielmehr darin, dass mehr Bananen verdrückt werden. Vor allem jene Bananen, die ohne diese Dose zerdrückt worden wären und daher kaum mehr mit Freude hätten verdrückt werden können.
Der Kern des Problemes liegt in der Vorsilbe. Wir Schweizer sagen gerne ver-, wo die Deutschen mit zer- einleiten. Das ginge ja noch. Nun ist es aber leider so, dass es im Hochdeutschen die Kombination mit ver- oft auch gibt, jedoch mit anderer Bedeutung. Im illustrierten Fall ergibt das folgende Verwicklung:
Hochdeutsch zerdrücken bedeutet, etwas mit Krafteinwirkung flach machen. Schweizerdeutsch heisst das vertrucke. Dies kann vermeintlich mit hochdeutsch verdrücken wiedergegeben werden. Diese Überlegung ist eigentlich recht schlau (wie wir Schweizer eben sind), klappt aber nicht, weil verdrücken im Hochdeutschen bereits mit einer Bedeutung belegt ist – und zwar leider mit einer anderen als vertrucke. Verdrücken ist ein umganssprachliches Wort für essen.
“Er verdrückte genüsslich eine Banane” ist daher überhaupt nicht dasselbe wie “Er* zerdrückte genüsslich eine Banane.” Und definitiv klar sollte der Unterschied werden, wenn einer freudig berichtet: “Nachdem ich die Banane zerdrückt hatte, verdrückte ich sie genüsslich.” (Es soll auch Erwachsene geben, die so etwas mögen.)
Das Muster ist also einfach:
Hochdeutsch heisst es zerschneiden – die Schweizer sagen verschneiden.
Hochdeutsch heisst es zerreiben – die Schweizer sagen verreiben.
Hochdeutsch heisst es zerbrechen – die Schweizer sagen verbrechen. (Achtung, Missverständnis in Reichweite! Und blöderweise sagen die Schweizer zu Hochdeutsch verbrechen ebenfalls verbrechen.)
Wenn die Schweizer Ver-Versionen keine eigene hochdeutsche Bedeutung haben, bringen gelegentliche Misstritte in der Regel keine Probleme mit sich. Eine Warnung muss ich aber doch an alle lernfreudigen Schweizer richten, die aus diesen Beobachtungen nun gerne eine Regel ableiten möchten. Das klappt leider nur sehr unvollkommen: So heisst es schweizerdeutsch zwar verbrannt, hochdeutsch deswegen aber noch lange nicht zerbrannt, sondern eben auch verbrannt. Auch aus verfolgen wird trotz obiger Beobachtung leider nicht zerfolgen.
Manchmal könnte man fast zerzweifeln.
* Weil zwischen den Anführungszeichen ein vollständiger Satz steht, wird Er hier grossgeschrieben, obwohl kein Punkt vorausgeht.
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