Der Bindestrich trägt seinen Namen eigentlich zu Unrecht. Er ist ein Trennstrich. Diesen Unterschied vor Augen zu haben, hat mir geholfen, seine Verwendung zu verstehen und ihn richtig und zum Nutzen der Menschheit einzusetzen.
Dieser Strich verbindet also nicht, er trennt viel eher.
Was trennt er?
Er trennt zwei Wortbausteine.
Wozu trennt er sie?
Um das Wort, das aus diesen Bausteinen zusammengesetzt ist, verständlicher zu machen.
Es ist also wieder einmal eigentlich ganz einfach: Dieser Strich verbindet nicht zwei separate Wörter, er trennt zwei verbundene Wörter. Oder anders gesagt: Die Alternative zu diesem Strich ist nicht die Getrenntschreibung, sondern die Zusammenschreibung.
Die Idee zu diesem Beitrag kam mir übrigens, als ich vor dieser Kaffeemaschine auf meine Schale* wartete:
Kaffee Becher ist ein Fall für den Strich! Denn Kaffee Becher ist sowieso falsch. Man könnte allenfalls Kaffeebecher sagen, oder dann eben nach Einsetzen des Striches Kaffee-Becher. Oder Milch-Becher oder Cappuccino-Becher oder Latte-macchiato-Becher**. In jedem Fall geht es bei jedem der vier Begriffe um 1 Wort. Und Kaffeebecher ist 1 Wort.
Ob man nun einen solchen Strich setzt oder die Wortbausteine zusammenschreibt, entscheidet sich an zwei Faktoren:
- Grammatik: Mit dem Setzen eines Bindestriches kann man den Bau eines zusammengesetzten Wortes sichtbar machen. Das kann manchmal wichtig sein. So ist bei Geisterkenntnis nicht klar, ob Geist-Erkenntnis oder Geister-Kenntnis gemeint ist (Beispiel von Heuer).
- Lesbarkeit: Der Bindestrich kann dem Leser helfen, unübersichtliche Schriftbilder leichter zu erfassen. Er wird daher spätestens dann gesetzt, wenn ein Wort aus mehr als drei Wörtern zusammengebaut ist. Wie zum Beispiel: Kirchgemeindeversammlungs-Protokoll.
Diese beiden Faustregeln zwingen zum Schluss, dass es auf meiner Kaffeemaschine Kaffeebecher und Milchbecher heissen sollte. Den Cappuccinobecher würde ich aus Gründen der Lesbarkeit mit einem Strich versehen: Cappuccino-Becher. Für den beliebten Latte macchiato müssen wir sogar zwei Striche bemühen. Da Latte und macchiato zwei Wörter sind, ist die Zusammenschreibung mit Becher kein Thema. Es heisst also richtig Latte-macchiato-Becher.
Man spürt: Es ist ein bisschen Gefühlssache. Das ist schön, weil es das in der Rechtschreibung nicht sehr häufig gibt und weil es zur Jahreszeit passt.
* „Schale“ sagen wir Schweizer zum Milchkaffee. Es soll mich aber jetzt bitte niemand fragen, weshalb. Ich weiss es nicht – obwohl spätestens seit dem letzten Beitrag kein Zweifel mehr daran bestehen kann, dass ich ein wahrer Schweizer bin.
** Gemäss Duden ist macchiato in Latte macchiato klein zu schreiben. Weshalb auch nicht?
Rahel meint
Hmm, Schale hin, Schale her, hier meine unwissenschaftliche Erklärung zu dem Thema:
Ein Kaffe mit Kafferahm ergibt ca. 150ml Inhalt und wird/wurde meistens nach dem Mittagessen serviert. Beim Milchkaffe kommt ca. soviel Milch zum Kaffe hinzu, wie es Kaffe hat, was also zum doppelten Volumen führt (= ca. 300ml). Dieser Milchkaffe wurde/wird meistens zum Frühstück getrunken, im ehemals sehr bekannten ‚Milchchacheli‘, was von der Form her einer ‚Schale‘ gleich kommt. Man darf nicht vergessen, dass Kaffee über lange Zeit ein Luxusartikel war und deshalb eher Milch mit Kaffee als Kaffee mit Milch getrunken wurde. Wobei heute der Latte macchiato dem schon wieder sehr nahe kommt und eher noch teuer ist…
Lieber Gruss von der zurzeit Schokoladetrinkenden Rahel
Cla Gleiser meint
Danke, Rahel. Und was soll daran unwissenschaftlich sein? 😉
Rahel meint
Tja Cla, unwissenschaftlich drum, weil ich a) keine Belege für meine Theorie geliefert habe, sprich b) keine Zitate mein Denken untermauern und c) und das ist besonders wichtig in einer wissenschaftlichen Arbeit: es hat keine einzige Fussnote!! 😉
Wünsche mit Freude und Zufriedenheit erfüllte Feiertage. Ev. mit eme Chacheli Milchkaffi, äh, Schale?? Rahel
Cla Gleiser meint
Mit den Fussnoten* gebe ich dir Recht. Dein Beobachten, dein klares und schlüssiges Argumentieren und schliesslich der weite Blick für die geschichtlichen Zusammenhänge sind jedoch durchaus wissenschaftlich.
Ich wünsche dir dasselbe. Mit oder ohne Kaffee. Hauptsache schöne Weihnachten! Herzliche Grüsse!
* Fussnoten sind ein wirksames und oft eingesetztes Werkzeug, um einen wissenschaftlichen Eindruck zu erwecken. Dasselbe Ziel ist mit langen und kompliziert verschachtelten Satzgebilden, in denen sich Haupt- und Nebensätze, welche bevorzugterweise auf mindestens zwei oder drei Abhängigkeitsstufen eingeflochten sein sollten, in einem schwer zu erfassenden Gewebe verbinden, zu bewerkstelligen. Auch Fremdwörter helfen.
margaret meint
Tatsächlich habe ich auch, in einem kleinem Frühstücksrestaurant gearbeitet, wo Milchkaffee in Schüsseln serviert wurde. Vergleichbar mit typischen Müslischüsseln. Und da habe ich auch meinen Chef gefragt, weshalb dass so sei?
Er sagte mir dass es traditioneller Weise so wäre, dass Milchkaffee in Schalen serviert wird. 😀