In einem E-Mail hat Ändu mir eine Frage gestellt, die ich hier gerne aufnehme:
Wenn ich sage: „Me muess luege, dass eim keini Fähler passiere“, dann ist das zwar korrektes Berndeutsch, doch will ich das schriftlich festhalten, kommt es mir sehr „undeutsch“ vor, wenn ich schreibe „man muss schauen, dass einem keine Fehler passieren“. Wie weit kann diese Redensart ins Schriftdeutsche übertragen werden? Gibt es sie da überhaupt, oder ist diese Satzzusammenstellung nur in der gesprochenen Sprache anwendbar? Was gibt es für Möglichkeiten, diese Formulierung zu vermeiden? In meinem Beispiel wäre es ja möglich zu schreiben „Man muss schauen, dass man keine Fehler macht“, oder „…keine Fehler zu machen“; aber manchmal ist es nicht ganz so einfach.
Ich lasse da zunächst einmal mein Sprachgefühl antworten: „Man muss schauen“ wird sicher verstanden, ist aber ebenso sicher kein besonders gediegenes Deutsch. Eine elegantere Variante wäre: „Man sollte darauf achten, keine Fehler zu machen.“* Doch was heisst bei einem solchen Satz schon „elegant“? Da stimmt nämlich noch anderes nicht. Ändu schreibt weiter:
Was ich daran besonders interessant finde ist, dass mir dieses Problem häufig beim Schreiben schriftlicher Arbeiten begegnet. [Ändu ist Theologiestudent] Irgendwie ist es hilfreich, die „man“-Form zu gebrauchen, um verallgemeinerte Glaubensaussagen zu formulieren. Aber auch, um persönliche Aufforderungen unpersönlich zu verpacken (z. B.: „Man muss beten, damit Gott einem begegnen kann“). Leider wird dadurch aber meistens der Inhalt abgeschwächt, weil man ja nicht recht weiss, wer „man“ eigentlich ist, und ob Gott, wenn er „einem“ begegnet, auch „mir“ persönlich begegnen will…
Man ist ein Problem. Die Verlockung, Aussagen an einem unpersönlichen Man aufzuhängen, ist einfach zu gross. Es geht einem viel leichter von den Lippen oder von der Tastatur als ein Du, ein Wir oder gar ein Ich. Man ist damit ein klassischer sprachlicher Distanzerzeuger, der den bewegendsten Appell zu einer sterilen Feststellung degradieren kann. Am besten wäre es darum, wenn man ganz auf man verzichten würde. Das heisst: Sie sollten darauf verzichten, Du solltest darauf verzichten, ich sowieso und auch Ändu ist gut beraten, das unpersönliche Man in Zukunft zu ersetzen. Denn wie er ganz richtig schreibt, erweist es uns einen Bärendienst: Es lässt sich einerseits leicht schreiben oder sagen, schwächt den Inhalt aber ins Bedeutungslose ab, weil sich keiner mehr betroffen fühlen muss. Und zu Recht: Wer will denn schon man sein? – Ich bin ich. Und wenn du mich meinst, dann kannst du das auch sagen. Und wenn du dich selbst meinst, dann gefälligst auch.
Womit man zu ersetzen ist, hängt natürlich vom Kontext ab; davon, wer angesprochen ist; davon, auf wen eine Aussage sich bezieht. Zurück zum einleitenden Satz des Anstosses: Wer soll denn nun schauen, dass er keine Fehler macht? Diese Information muss natürlich Teil der Aussage sein. Der Autor, der sich hier zum Weg des geringsten sprachlichen Widerstandes und damit zu einem unpräzisen Man hinreissen lässt, hat womöglich seine Hausaufgaben nicht gemacht und stellt nun fest, dass er selbst nicht weiss, wen er eigentlich meint.
* Ich würde mich freuen, wenn meine deutschen Leser sich in den Kommentaren zu dieser Frage äussern würden.
Ändu meint
Danke, Cla, dass du meine Frage aufgenommen hast.
Dein letzter Satz fällt mir gerade ins Auge, da du ihn mit „der Autor“ beginnst. Sonst wäre das genau so ein Man-Satz geworden, und der Leser könnte dann meinen, du hättest die Hausaufgaben nicht gemacht, und wüsstest nicht, wen du meinst. So ist er aber klar beim Namen genannt. Oft ist die Lösung näher als man denkt… 🙂
Cla Gleiser meint
Ich danke dir für die Anregung. Ich bin froh um solche Fragen, will ja hier nicht an den Lesern vorbeischreiben. – Und du hast natürlich Recht: Die Aussage des letzten Satzes ist tatsächlich anfällig für eine Man-Konstruktion. Das könnte damit zusammenhängen, dass er eine Art Warnung enthält – oder mindestens eine verbreitete Unart bezeichnet. Das geschieht ja oft mit einer unpersönlichen Aussage.
Bernd meint
Hallo Cla, ich moechte dir gerne bei der Beantwortung deiner Frage helfen.
Schliesslich schmeichelt es, wenn man als Deutscher zu irgendetwas nuetzlich sein koennte. [SarcMark]
Leider ist der von dir mit * gekennzeichnete Satz „Eine elegantere Variante wäre: “Man sollte darauf achten, keine Fehler zu machen.”“ eine Aussage und keine Frage. Hmm.
Bei „man“ muss ich immer an „frau“ denken. Als ich noch klein war, gab es die These der feministischen Bewegung, dass Sprache das Denken beeinflusst. Wenn man also zum Beispiel „Zimmermann“ sagt, sugeriert man, dass frau nicht zimmern kann. Seitdem haben wir also Studierende und nicht mehr StudentInnen, Musizierende und keine Musiker mehr. [Obwohl ich es persoenlich fuer moeglich halte, dass die Sprache tatsaechlich in dieser Art das Denken beeinflusst, ist meines Wissens der Zusammenhang noch nicht nachgewiesen worden.]
In dieser Zeit gab es etwas nervige Menschen, die jeden Satz wie „Man weiss ja heute, dass …“ unterbricht mit „frau auch!!!“. Das hilft einem man, sich das man schnell abzugewoehnen.
PS: Das Aufraeumen der Sprache ist noch nicht abgeschlossen. So wird Angela Merkel mit folgendem Satz zitiert: „Der Bundeskanzler hat die Richtlinienkompetenz, auch wenn er eine Frau ist.”
Cla Gleiser meint
Hey Bernd. Vielen Dank für deinen Beitrag – und entschuldige, dass ich erst jetzt darauf reagiere.
Zum Einfluss des Denkens auf die Sprache habe ich mal einen Post geschrieben, der einen Link auf einen kurzen Radiobeitrag enthält. Dort geht’s um ein Experiment, in dem genau dieser Zusammenhang (zumindest im Ansatz) nachgewiesen wurde: http://verstaendlich.ch/2009/03/11/wie-es-euch-gefallt-teil-2/