Heute ist mir ein Satz begegnet, der mir zu denken gegeben hat:
Er schafft aus Chaos Ordnung.
Aufgefallen ist mir die Reihenfolge der Wörter. Reden und Schreiben sind Gestaltungsvorgänge. Wir gestalten mit den Wörtern, die wir verwenden. Doch kommt es nicht nur auf die Wahl der Wörter an, sondern auch auf ihre Reihenfolge.
A. Er schafft aus Chaos Ordnung.
B. Er schafft Ordnung aus Chaos.
Beide Sätze sagen auf den ersten Blick dasselbe aus. Auf den zweiten Blick jedoch nicht mehr. Je nachdem, wo ich meinen Akzent setzen möchte, wähle ich die eine oder die andere Wortfolge.
Die erste Aussage, die ich in Variante B wahrnehme, lautet:
Er schafft Ordnung.
Ordnung schaffen wird so zum Kern meiner Aussage. Und genau darum wird es in vielen Fällen gehen, in denen dieser Satz erscheint.
Anders in Variante A:
Er schafft aus Chaos Ordnung.
Hier geht der Ordnung das Chaos voran – was dem zeitlichen Ablauf des Satzinhaltes entspricht: erst Chaos, dann Ordnung. Sollte dieser zeitliche Ablauf wichtig sein, wäre diese Formulierung angemessener. Andererseits lässt sich auch argumentieren, dass die zweite Variante Ordnung ans Ende stellt und ihr somit eine prominente Position einräumt. Was von diesem Satz nachhallt – falls er alleine steht oder ihm eine angemessene Pause folgt – ist diese Ordnung.
Der Hörer oder Leser nimmt solche Nuancen natürlich nicht bewusst wahr. Eine Wirkung haben sie dennoch. Die Gestaltung von Sprache umfasst eine riesige Palette an kreativen Möglichkeiten, deren Wirkung sich unter der Oberfläche unseres Denkens entfalten. Eine mitreissender Text verdankt seine Qualität mindestens im gleichen Mass dieser Wirkung wie seinem interessanten Inhalt.
Bei solchen Gestaltungsmöglichkeiten und -entscheidungen geht es nicht um die grundsätzliche Frage nach richtig oder falsch. Vor dem Hintergrund des Anliegens eines Schreibers oder Redners kann eine gewählte Formulierung jedoch durchaus richtig oder falsch sein; richtig dann, wenn sie meine Botschaft verstärkt, falsch, wenn sie das nicht tut oder ihr sogar widerspricht.
Wenn ich also den Prozess vom Chaos zur Ordnung mit Wörtern ausmahlen will, dann werde ich eher sagen
Er schafft aus Chaos Ordnung
als
Der Ordnung geht das Chaos voran. (Wie ich es weiter oben formuliert habe. Der Satz widerspricht sich selbst, weil er genau das Gegenteil von dem tut, was er sagt.)
Sprache gestalten bedeutet nicht nur, die richtigen Worte zu finden. Es kann auch bedeuten, sie in die beste Reihenfolge zu setzen. Auf jeden Fall aber bedeutet es, sorgfältig vorzugehen und alle Register zu ziehen, um meiner Botschaft auf allen Ebenen zum Durchbruch zu verhelfen.
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