Aus Korea hat mich dieses Foto erreicht (Danke, Simon!), das neben seinem Unterhaltungswert auch viel über die Funktionsweise unserer Sprache verrät, besonders unserer geschriebenen Sprache.
Dass der koreanische Schriftenmaler (oder wie auch immer der Gestalter dieser Tafel zu nennen ist) sich hier vertan hat, ist lustig, stellt uns aber als Touristen in Korea vor keinerlei Probleme. Nicht einmal Kopfzerbrechen ist nötig, um sofort zu verstehen, dass hier nicht ein Restdurdnt, sondern ein Restaurant zu finden ist. Für diese blitzschnelle Klärung gibt es verschiedene Gründe:
- Es sind nur 2 von 10 Buchstaben falsch. Das Wort ist lange genug, dass wir von den korrekten Teilen das Ganze ableiten können.
- Der gleiche Fehler kommt zweimal vor, es ist also eigentlich nur ein Fehler.
- Das Piktogramm mit Messer und Gabel räumt alle Zweifel aus.
- d sieht fast gleich aus wie a, das eigentlich hier stehen müsste.
Dem letzten Grund möchte ich noch etwas nachhängen.
Als vor acht oder so Jahren die Komödie „My Big Fat Greek Wedding“ in den Kinos lief, wurde in der Typografie auf den Plakaten mit dem gleichen Effekt gespielt. Dort hiess es: MY BIG FAT GRΣΣK WEDDING. Das E wurde mit dem griechischen Σ ersetzt. Dies allein aufgrund der optischen Ähnlichkeit, denn Σ steht für einen s-Laut. Ein für Griechisch Sprechende etwas irritierender Effekt. (Aus zuverlässiger Quelle weiss ich jedoch, dass das nicht der Grund dafür war, dass die Griechen an dem Film keine Freude hatten. Er war einfach zu nahe an der Wirklichkeit.)
Die Ähnlichkeit zwischen a und d ist sicher auch der Grund für den Fehler. Der Gestalter hat sich einfach vertan, als er die für ihn fremden Buchstaben ihrer Form nach erkennen musste. Mir ginge es genau gleich, müsste ich koreanisch schreiben. Wenn ich mir die Schriftzeichen über dem Restdurdnteingdng ansehe, sehe ich keine Buchstaben, sondern Kombinationen von Strichen, Kreisen und Bögen. Müsste ich sie kopieren, wären Fehler sehr wahrscheinlich. Mir bliebe nämlich nichts anderes übrig, als hochkonzentriert Strich um Strich möglichst präzise nachzumalen. Ganz anders mit „meinem“ Alphabet. Da weiss ich genau, worauf es bei jedem Zeichen ankommt und welchen Spielraum ich für meine persönliche Handschrift habe. (Manchmal reize ich diesen Spielraum allerdings etwas aus.) In meiner eigenen Schrift ist mir überhaupt nicht mehr bewusst, was mir das Nachmalen unvertrauter Schriftzeichen deutlich zu spüren gibt: Buchstaben sind Zeichnungen.
Buchstaben beruhen auf willkürlichen Beziehungen (zwischen einem Zeichen und dem Laut, für den es steht), auf welche die Sprachbenützer sich geeinigt haben. Der Vergleich zwischen Restdurdnt und dem Piktogramm auf dem Foto macht das fassbar: Beide „Zeichen“ sagen dasselbe. Das eine jedoch beruht auf Ähnlichkeit mit der realen Umgebung, das andere auf Vereinbarungen der Sprachbenutzer. Wer diese Vereinbarungen nicht kennt, hat und ist verloren. Die koreanischen Zeichen im Bild vermitteln genau dieses Gefühl: Ganz egal, wie konzentriert ich sie betrachte, ihre Bedeutung ist für mich nicht abzuleiten.
Was bedeutet das für den Sprachgebrauch im Alltag? Wir können einander nur verstehen, wenn wir uns nach den gleichen Vereinbarungen richten. Das können die gleichen Buchstaben und Laute sein, genauso aber auch die gleichen Wörter. Entscheide ich mich aus einer Laune heraus, heute einmal i durch u zu ersetzen und somit Tisch als Tusch aus- und Kinder als Kunder anzusprechen, dann wird das meinen Kommunikationserfolge schmerzhaft reduzieren. Wenn ich dazu noch aus dem T ein N mache oder aus dem M ein O, wird die Verständigung noch schwieriger und irgendwann unmöglich.
Wer verstanden werden will, muss sich an Konventionen halten: Buchstaben, die verstanden werden; Wörter, die verstanden werden; Sätze, die verstanden werden; Abschnitte und Texte, die verstanden werden.
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