Wenn die Unsicherheit des Redners seine Botschaft durchrauscht wie ein Störsender das Radioprogramm, dann kann sich das in ganz verschiedenen Formen zeigen. Zum Beispiel an nervigem bis ablöschendem Imponiergehabe. Oder an anderen sprachlichen Unarten, die sich einschleichen und von denen der Redner sich unbewusst Stabilität erhofft.
Selbstversicherung
Das kann er zum Beispiel machen, indem er sich gelegentlich (oder häufig) seiner selbst versichert und zwischen seinen Sätzen immer wieder einmal ein „Genau“ platziert. Dieses „Genau“ leistet keinen Beitrag an den Inhalt oder das Kommunikationsgeschehen, sondern ist ein reiner Selbstzuspruch. Wie wenn sich einer selbst auf die Schulter klopft (was – nebenbei gesagt – manchmal richtig gut tun kann). Mit einem solchen „Genau“ sagt der Redner zu sich selbst:
Genau, ich hab alles unter Kontrolle.
Genau, so hatte ich mir das gedacht.
Genau, ich bin noch voll auf Kurs.
Die böse Stiefmutter von Schneewittchen sagte wahrscheinlich auch „genau“, nachdem sie sich von ihrem Zauberspiegel einmal mehr hatte bestätigen lassen, dass sie weit und breit die Schönste war. Genau. – Und damit war sie sich wieder für eine kurze Zeit sicher, die Situation im Griff zu haben.
Auch „gut“, kann als Selbstversicherungen dienen. Natürlich meine ich nicht das vollkommen angemessene und natürliche „Gut, dann wenden wir uns dem nächsten Punkt zu“, sondern das isolierte und vor allem häufig wiederkehrende „Gut“, das sich prominent zwischen zwei Pausen platziert und dabei vom Redner doch nicht bemerkt wird:
… und da Ergebnis ist eine Tasse Kaffee, die dem professionellen Standard entspricht.
[Pause]
Gut.
[Pause]
Doch nicht nur das Brühen des Kaffees, sondern auch das Aufschäumen der Milch will gelernt sein. Folgendes ist zu beachten…
Ob ein „Genau“ oder ein „Gut“ der unbewussten Selbstversicherung dienen sollen, ist meist daran zu erkennen, dass sie fast gedankenverloren daherkommen und der Redner sie eben nicht an das Publikum wendet, sondern an sich selbst.
Blähsprache
Eine weitere Unart ist die gespreizte, aufgeblähte Sprache. Hier befinden wir uns im Grenzgebiet zum Imponiergehabe. Ich habe unter diesem Stichwort bereits auf den einschüchternden Gebrauch von Fremdwörtern und Fachausdrücken hingewiesen. Auch die Konstruktion unhandlicher sprachlicher Gebilde mit vielen Substantiven (Hauptwörtern) gehört in diese Kategorie. Und leider leistet die deutsche Sprache hier wirksame Beihilfe zur sprachlichen Verunstaltung.
Beim Brühen des Kaffees ist auf die Frische des Wassers zu achten, welches zum Einsatz kommt. Bei mangelnder Frische ist ist mit einer Beeinträchtigung des Brühergebnisses zu rechnen, die sich zum Beispiel in einer gewissen Schalheit zeigt.
Ich weiss nicht, wie die hauptwortlastige Sprache zu ihrem Ruf gekommen ist, gescheit zu tönen. Ich finde sie einfach nur sperrig und leblos. Viel schöner und gewinnender und einprägsamer wäre doch:
Wenn Sie Kaffee brühen, achten Sie unbedingt auf frisches Wasser!
Verbale Watte
Die verbreitetste sprachliche Unart bei unsicheren Rednern sind aber wohl die Weichmacher. Sie helfen, den Inhalt in Watte zu hüllen, damit er sicher niemandem wehtut. Denn genau darum geht es dem unsicheren Redner ja: Einfach nicht anecken. Ein unsicherer Redner ist nicht mutig.
Logisch eigentlich, dass einer, der sich seiner Sache nicht sicher ist, diese Sache auch unsicher formuliert. Und genau diesen Zweck erfüllen die Weichmacher. Sie heissen eigentlich, vielleicht, ein bisschen, so, wahrscheinlich, einigermassen, gewissermassen, könnte, würde, möchte und so ähnlich, und sie dämpfen alles ab, was da Ecken und Kanten hat.
Sie wissen wahrscheinlich schon Einiges über die Zubereitung von Kaffee. Ich möchte heute ein bisschen zeigen, wie wir das bei uns so machen.
Solch weiche Aussagen tun zwar wirklich nicht weh, was an sich ja schön ist, leider bewirken sie aber auch sonst herzlich wenig. Ich jedenfalls habe überhaupt keine Lust darauf, mir von einem, der sich selbst offenbar nicht einmal für einen Experten hält, „ein bisschen“ etwas über Kaffee oder sonst irgendein Thema erklären zu lassen. (Mehr über verbale Watte gibt es in diesem Artikel.)
Gute Besserung!
Diese Unarten (im Schweizerdeutschen gibt es den schönen Begriff Mödeli) schleichen sich ein. Besonders anfällig dafür ist, wer spontan und frei redet, eine an sich ja sehr lobenswerte Sache. Aber auch wer sich detailliert vorbereitet, ist nicht gegen diese Unarten gefeit. Denn schon in der Vorbereitung lassen sich Weichmacher und Blähsprache einbauen. Wer sich diese Art zu reden einmal angewöhnt hat, wird sich auch in der Vorbereitung im stillen Kämmerlein so ausdrücken.
Deshalb kann ein erster Ansatz zur Besserung schon dort beginnen: In der Kontrolle der Vorbereitungsnotizen oder des Redemanuskriptes. Besonders heilsam und gewinnbringend aber ist das Abhören einer Audioaufnahme des eigenen Redens. Hier bleibt keine Unart unentdeckt. Das kann im ersten Moment vielleicht erschüttern. Aber der Gewinn ist maximal.
Doch all dies bleibt Kosmetik, wenn ich als Redner nicht gleichzeitig daran arbeite, mich in der Begegnung mit dem Publikum sicherer zu fühlen. Dazu demnächst mehr, nachdem ich im dritten Teil dieser kleinen Reihe (nächste Woche) noch über Selbstsabotatge durch Körpersprache schreiben werde.
Heinz meint
Voll erwischt. „Genau“ habe ich schon öfter (natürlich ohne das zu wollen) eingebaut. Während ich mir zuhören musste, spürte ich, wie unglaublich schwach es klingt und wie sehr mich das Wort für mindestens weitere 30 Redesekunden verunsichert.
Zur Watte: Ich vermute, dass diese (geografisch) nicht überall gleich stark verwendet wird. In der Schweiz jedenfalls ist das flauschige Produkt beliebt.
Cla Gleiser meint
@Heinz: Danke für den ehrlichen Einblick. Du bringst prägnant und nachfühlbar auf den Punkt, dass das „Genau“ das Gegenteil des gewünschten Effektes bewirken kann. Es soll Versicherung sein, macht aber nur die Verunsicherung deutlich.
Beim Werfen mit Watte spielt natürlich ein kultureller Faktor mit. Ist das nicht gerade eines der Themen, die in der Diskussion um Deutsche in der Schweiz immer wieder bemüht werden? Bestimmt sind in diesem Zusammenhang auch Konventionen zu berücksichtigen, wenn man mit seiner Botschaft „landen“ will. Was für mich ein einem Schweizer Restaraunt absolut selbstverständlich ist („Darf ich bitte zahlen?“), habe ich mir in Österreich und Deutschland inzwischen abgewöhnt. Dort sage ich nun auch „Zahlen bitte!“ – Und wer weiss: In einiger Zeit kann ich vielleicht sogar auf das „Bitte“ verzichten…
Werni Hunziker meint
Was sich bei uns im Geschäft auch immer mehr einbürgert ist der Laut „hmm!“. Das kommt so als „habt ihrs verstanden, es wird nicht diskutiert“ rüber.
Cla Gleiser meint
@Werni: Das klingt – hm, wie soll ich das jetzt diplomatisch ausdrücken – etwas problematisch. „Es wird nicht diksutiert“ ist ja selbstverständlich sowieso der absolute Dialogkiller. Wenn der dann noch als Ausdruck von Unsicherheit erscheint, wird es noch schlimmer: Dann darf also aus lauter Unsicherheit des Redners nicht mehr über eine Sache diskutiert werden, die allenfalls noch gar nicht gefestigt ist. Dabei wäre die Diskussion in einem solchen Fall ja vielleicht sogar der beste Weg, zu einer rundum überzeugenden und sicher machenden Lösung zu kommen.
Tragisch.