Hinter mir liegt der zweite Halbtag eines Rhetorikseminars. Wieder einmal hatte ich sehr viel Spass dabei, mit einer kleinen Gruppe engagierter und offener Menschen ein Stück Weg zu gehen. Unter anderem sprachen wir darüber, wie wir eine Sprache der Nähe entwickeln können.
Eines der rhetorischen Grundanliegen ist es, Nähe zum Publikum zu erzeugen, um so eine echte Begegnung zu fördern. Ich spreche daher gerne von „Dialog“ – auch beim klassischen rhetorischen Setting, in dem einer redet und die anderen zuhören. Ich bin fest davon überzeugt – und erlebe es immer wieder – dass auch ein solcher Rahmen sich als Dialog gestalten lässt. Eines der Werkzeuge, die dabei zum Einsatz kommen, ist die Sprache.
Natürlich ging es dabei gestern auch um ganz praktische Anregungen: Eine Sprache der Nähe muss einfach sein, verständlich, zugänglich, dabei auch bildhaft, sinnlich (die Sinne ansprechend), präzise und so weiter. Doch es geht um noch mehr. Illustriert habe ich die „richtige“ Sprache an der Flipchart mit zwei Sprechblasen.
Meine Sprache – Deine Sprache – Unsere Sprache?
Die linke Sprechblase steht für meine Sprache, das Repertoire, das mir als Redner zur Verfügung steht. So kann ich mich ausdrücken, so ist mir der Schnabel gewachsen. Es ist die Sprache, die Peter Heigl meint, wenn er empfiehlt: „Gestatten Sie sich, so zu reden, wie es Ihnen angstfrei über die Lippen kommt“ (Zitat aus 30 Minuten für gute Rhetorik).
Die rechte Sprechblase steht für die Sprache des Publikums, für ihr Repertoire. So reden sie. Das verstehen sie.
Meine Herausforderung in der Vorbereitung und der Ausführung einer Rede besteht nun darin, eine Sprache zu wählen, die im Schnittbereich der beiden Sprachen liegt. Ich wähle also eine Sprache, die
- meine Sprache ist. Damit fühle ich mich wohl, hier fühle ich mich sicher.
- ihre Sprache ist. Diese Sprache verstehen meine Zuhörer, ohne sich das Hirn verbiegen zu müssen. Hier fühlen sie sich sprachlich zuhause.
Ausrutscher und ihre Folgen
Die Spracharbeit auf diesem „gemeinsamen Boden“ ist entscheidend. Wenn ich in meiner Rolle als Redner in den linken oder rechten unschraffierten Bereich flüchte, entstehen Probleme:
Links rede ich eine Sprache, die meinen Zuhörern nicht mehr einfach so zugänglich ist. Sie müssen mehr Energie aufwenden, um mich zu verstehen. Nicht alle werden dazu bereit sein. Das Publikum kann sich bevormundet fühlen oder dumm (wenn ich zum Beispiel ihm unbekanntes Fachvokabular verwende). So oder so entsteht ein Gefühl der Distanz.
Rechts rede ich eine Sprache, die nicht zu meinem natürlichen Sprechen gehört. Das stört natürlich meine Sicherheit als Redner, habe ich hier doch den sicheren Boden verlassen. Auf das Publikum kann es zudem befremdlich wirken – und damit trotz allem verkrampften Bemühen Distanz statt Nähe erzeugen. Zum Beispiel, wenn ein älterer Redner versucht, sich bei einem jüngeren Publikum über Jugendslang anzubiedern.
Die „Flucht“ in die unschraffierten Bereich wird oft mit der Unsicherheit des Redners zu tun haben, über die ich hier schon mehrfach geschrieben habe. Wer sich entschlossen im schraffierten Bereich bewegt (und sich auch so vorbereitet hat), stützt dagegen seine eigene Sicherheit und hilft so auch dem Publikum zu einer authentischen Begegnung und echtem Dialog.
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