Deutsch ist eine schwierige Sprache. Nicht nur für Menschen, die es als Fremdsprache lernen müssen, sondern auch für uns Muttersprachler (sofern man Schweizer überhaupt zu diesen zählen darf, darüber wird gestritten, aber nicht hier und heute).
Zum Missgriff verführt
Deutsch ist unter anderem auch deshalb schwierig, weil es uns zu Unarten verführt, die wir eigentlich vermeiden sollten. Es ist wie beim Bäcker, wenn ich ein Vollkornbrot kaufen möchte und mich dafür vor den Crèmeschnitten anstellen muss.
Welche Unarten sind das? Zum Beispiel endlos scheinende Aneinanderreihungen von Substantiven (Hauptwörtern), die unsere Alltagssprache zum aufgeblähten Behördenjargon machen. (Doch auch darum geht es heute nicht.) Oder dann die „Möglichkeit“, zusammengehörende Satzbauteile auseinanderzureissen und damit das Lesen oder Zuhören zur Tortur zu machen.
Darum geht es heute.
Kaum verheiratet – schon entzweit
Vor zwei Wochen erschien in der NZZ am Sonntag ein Quiz über banale Ereignisse des letzten Jahres. Die erste Frage:
Wo haben sich Facebook-Gründer Mark Zuckerberg und die Ärztin Priscilla Chan, die im Mai, einen Tag nach dem Börsengang des sozialen Netzwerks, geheiratet haben, kennengelernt?
Furchtbar! Diese an sich simple Frage ist satzbauerisch (oder auch „syntaktisch“) schrecklich umständlich aufgegleist. Wir haben einen Hauptsatz:
A: Wo haben sich Facebook-Gründer Mark Zuckerberg und die Ärztin Priscilla Chan kennengelernt?
Dann gehört noch ein Relativsatz dazu, der sich auf die beiden Hauptpersonen bezieht:
B: die im Mai geheiratet haben
Und schliesslich ist da noch die eingeschobene Ergänzung zum Zeitpunkt:
C: einen Tag nach dem Börsengang des sozialen Netzwerks
Nun kann man das alles ja interessant finden, aber müssen die Informationen so serviert werden, dass eine der anderen ins Wort fällt? C unterbricht B, B und C unterbrechen mit vereinten Kräften A. Das Ergebnis: der Leser muss bis zum letzten Wort warten, um den Inhalt der Frage zu verstehen.
So sieht das schematisch aus:
A Teil 1 – B Teil 1 – C – B Teil 2 – A Teil 2
Warum steht da nicht einfach:
Wo haben sich Facebook-Gründer Mark Zuckerberg und die Ärztin Priscilla Chan kennengelernt, die im Mai geheiratet haben, einen Tag nach dem Börsengang des sozialen Netzwerks?
Das wäre dann:
A – B – C
Welche Wohltat, alles ist auf Anhieb verständlich, weil’s der Reihe nach kommt. Dabei gestehe ich gerne ein, dass C auch auf der eingeschobenen Position verharren dürfte, das wäre nicht so dramatisch. Aber „kennengelernt“ ans Ende des Satzes zu verbannen, halte ich für einen stilistischen Missgriff.
Der zerrissene deutsche Satzbau
Doch das Deutsche legt solche zerrissenen Satzkonstruktionen nahe. Das hängt wohl damit zusammen, dass ein Objekt und allfällige Ergänzungen zum Verb zwischen Verb und Hilfsverb stehen müssen. Wir sind gezwungen zu schreiben:
Ich habe den Schlüssel daheim vergessen.
In den meisten normalen Sprachen würde es heissen:
Ich habe vergessen den Schlüssel daheim.
Alle Sinneinheiten schön portioniert. Das geht auf Deutsch nicht. Und möglicherweise sind wir darum etwas beschädigt und verschachteln Sätze lieber, als dass wir sie aneinanderreihen würden – auch dann, wenn dies möglich wäre.
Erheben wir uns also gegen das Diktat zerrissener Sätze und Nebensätze! Es geht auch anders.
Die Antwort(en) übrigens
a) Im Internet
b) In einem Computerkurs
c) In der Warteschlange vor dem WC an einer College-Party
Sebastian meint
Der stilistische Missgriff ist doch wohl Ihr Vorschlag A-B-C. Sprechen Sie den Satz mal aus, dann merken Sie, dass so nur Kinder und Teenager in Trams reden. Was nämlich in Ihrer Variante fehlt, ist der korrekte Bezug des Einschubs zum Subjekt.
Ich gebe Ihnen bei der Ausgangsposition völlig recht: „Verschwurbelt“ und ausserdem mit sinnlosen Randinformationen falsch gespickt ist die Frage der NZZ. Das Problem tritt aber meiner Meinung nach auf weil ein zweiter Einschub für „Facebook-Gründer“ gebraucht wird. Hier wird fehlerhaft ein Substantiv (auch noch mit Bindestrich!) adjektivisch verwendet. Ein Schelm wer Böses dabei denkt – dürfte man doch Einschübe auf Adjektive im Deutschen nicht machen, sonst wären es ja keine Adjektive… So kommt der ganze Blödsinn in den „Print“. Allerdings ist die NZZ auch bekannt für solche Stilblüten, man lese nur die Sportberichte.
Ich, dagegen, bin für lange Sätze. Ich behaupte sogar weiter, die Nutzung langer (korrekter) Sätze drücke eine intellektuelle Kapazität aus eine Sache zuende zu denken, bevor man sie vollständig benannt hat und zwar bei Sprecher und Zuhörer. Man könnnte auch salopp sagen: Erst gedacht, dann gesprochen. Was ja mal nichts verwerfliches ist. Die zunehmende Verkürzung und Trennung von Hauptsatz-Nebensatzkonstruktionen nervt. Lesen Sie mal die deutsche Bildzeitung. Oder hören Sie Fussballern, wie z.B. dem deutschen Nationalspieler Mesut Özil zu: „Also, ich hab Ecke gemacht, dann Kopfball, Tor. War klasse gemacht vom Miro“.
Das ist zwar schön verständlich, aber bitte, wo bleibt da das Mindestmass an Sprachkultur?
Cla Gleiser meint
Danke für den anregenden Kommentar, Sebastian.
Allerdings weiss ich nicht recht, ob ich mich als Zuhörer tatsächlich dazu verleiten lassen möchte, die langen Sätze meines Gesprächspartners zu Ende zu denken, bevor er sie abgeschlossen hat. Da geht für mich ein elementarer Baustein gelungener Kommunikation verloren: hinhören, was der andere sagt.