Es tut mir leid.
Ich hatte diesen Artikel für letzte Woche versprochen und habe mein Wort nicht gehalten.
Dieses Versagen ist nicht ohne Risiko. Womöglich habe ich nun bei einigen meiner Leser an Glaubwürdigkeit verloren – ein Verlust, der schwer wiegen kann. In der Kommunikation ist die Glaubwürdigkeit des Menschen, der eine Botschaft losschickt, von überragender Bedeutung. Schätzt der Empfänger den Sender nicht als glaubwürdig ein, wird dieser kaum landen können.
Vom Bloggen zurück zum klassischen rhetorischen Setting und damit zurück zum Überzeugen auf allen Kanälen. Ich hatte ja versprochen, die Selbstdarstellung des Redners zu erläutern.
Glaubwürdig in dreierlei Hinsicht
Wenn ein Redner will, dass seine Zuhörer ihm Glauben schenken, dann muss er sie auch als Mensch überzeugen. Eben „glaubwürdig“ sein. Ein wunderbares Wort: würdig des Glaubens (oder Vertrauens) derer, die ihm zuhören.
Glücklicherweise hängt die Glaubwürdigkeit nicht nur von eingehaltenen Publikationsterminen ab. Auch für mich besteht also noch Hoffnung.
Aristoteles zählt drei Eigenschaften auf, die einen Redner auszeichnen, der beim Publikum ankommt:
- Einsicht: Er muss wissen, wovon er spricht. Dabei zählt nicht nur das Fachwissen, sondern auch die Erfahrung in der Umsetzung dieses Wissens, die Lebenspraxis.
- Tugend: Der Redner muss ehrlich und integer wirken. „Tugendhaft“ wirkt heute etwas angestaubt und lässt uns an Robin Hood denken. Doch warum eigentlich nicht?
- Wohlwollen: Der Zuhörer muss erkennen: „Der meint es gut mit mir. Der will mir einen Nutzen bieten.“
Die ersten Momente entscheiden
Die Herausforderung besteht nun darin, dass all dies unmittelbar nach der Redeeröffnung klar werden muss. Ich muss als Redner die ersten Momente nutzen, um mich in das bestmögliche Licht zu stellen. Die Menschen
- müssen mir zuhören wollen, weil sie wissen, dass ich weiss, wovon ich rede.
- müssen mir zuhören wollen, weil sie mich mögen.
- müssen mir zuhören wollen, weil sie merken, dass ich sie mag.
Und zeigen muss ich es ihnen in den ersten zwei Minuten. (Natürlich spielt hier auch der perfekte Redeeinstieg eine wichtige Rolle – ebenso wie ein erster Satz, der sitzt. Aber davon soll hier und heute nicht die Rede sein.)
Anregend jedoch finde ich, dass die Punkte nicht ohne Spannung zueinander stehen. Sich als Experte zu erweisen und gleichzeitig zu vermitteln, dass man seine Zuhörer mag und schätzt, ist nicht ganz einfach. Es gelingt nicht ohne Weiteres, als Experte Nähe zu vermitteln. Aber es geht!
Strategisch Akzente setzen
Auf jeden Fall lohnt es sich, in der Redevorbereitung auch die Frage zu bedenken: Welchen dieser drei Bereich muss ich bei diesem Publikum „bedienen“? Wenn ich bereits als Experte anerkannt bin, dann kann ich in der Eröffnung ganz auf die Karte „mögen und gemocht werden“ setzen. Bei einem Publikum, dem ich freundschaftlich verbunden bin, ist es hingegen wichtiger, meinen Expertenstatus zu unterstreichen, um mit meinen Argumenten auch landen zu können.
Selbstverständlich darf ich diese Frage auch im weiteren Verlauf der Rede nicht aus den Augen verlieren und mich die ganze Zeit über konsequent als glaubwürdig erweisen. Dem Redeanfang kommt hier allerdings entscheidende Bedeutung zu.
Die beschriebenen Aspekte dienen der „Selbstdarstellung des Redners“ und bilden damit den ersten Eckpunkt am Dreieck der rhetorischen Überzeugungsmittel. In weiteren Artikeln folgen die sachliche Beweisführung und das emotionale Aufwühlen der Zuhörer.
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