„So, das hast du dir aber verdient!“
Welch wunderbare Aussage! So kontextfrei weiss man nicht, ob sie ein Sugus begleitet oder eine Ohrfeige.
In jedem Fall gilt: Wer etwas verdient hat (Sugus, Ohrfeige, Goldmedaille, Beinbruch), hat etwas dafür getan, dass er es bekommt. Jedenfalls in der Wahrnehmung dessen, der die Sache als „verdient“ bezeichnet.
So weit liegen der Verdienst und das Verdienst nahe beieinander. Ihnen liegt ja auch dasselbe Verb zugrunde: verdienen.
Bei der Vorbereitung zu diesem Artikel beschlich mich das Gefühl, schon einmal ähnliches beschrieben zu haben. Und tatsächlich: Vor einigen Jahren widmete ich der Unterscheidung zwischen das Gehalt und der Gehalt einige Zeilen. Die kommen mir jetzt wie gerufen, helfen nämlich beim Unterscheiden der verschiedenen Verdienstmöglichkeiten weiter.
Kurz gesagt:
Der Verdienst = das Gehalt
Verdienst mit männlichem Geschlecht bezeichnet den Lohn, den ein Mensch für seine Arbeit erhält. Wer gefragt wird: „Wie viel verdienst du?“, nennt als Antwort seinen Verdienst (nicht sein Verdienst!) oder sagt: „Das geht dich nichts an.“ (Was in der Schweiz durchaus üblich ist. Wobei – eigentlich doch nicht. Denn wir fragen gar nicht erst.)
Das Verdienst (die grammatisch sächliche oder neutrale Variante) steht hingegen für Verhalten, das Anerkennung verdient, lobenswert oder einfach nur aussergewöhnlich (aber immer positiv zu beurteilen) ist.
Herr Künzli, dass wir heute hier stehen, als viertgrösster Staubsaugerproduzent in der Region unterer Zürichsee, das ist vor allem Ihr Verdienst! Meine Damen und Herren, erheben Sie mit mir Ihr Glas auf Herrn Künzli und seine bahnbrechende Entwicklung: den Sucker V-21!
Das Verdienst bezeichnet eine echte, anerkannte Errungenschaft, eine bewundernswerte Leistung. Mit Geld hat das nichts zu tun – meistens jedenfalls.
Und damit zeigt Verdienst ein weiteres Gesicht: Es reizt uns, kitzelt uns, nervt uns vielleicht. Ist ein Verdienst immer verdient? Sprachlich selbstverständlich kommt er so daher, dass man kaum wagt, ihm zu widersprechen. Gerade im Licht jüngster Diskussionen um Lohnexzesse liegt die Frage nicht nur sprachlich nahe: Kann ich meinen Verdienst mit echtem Verdienst begründen? Verdienen wir wirklich, was wir verdienen?
Ist es nicht wunderbar, wenn die Sprache uns so anregend irritiert?
Jobst Quis meint
Interessant bei verdient finde ich die Vorsilbe ver- , die ja meist etwas negatives bedeutet, wie Verlust.
Das hat mich zu einem Gedicht inspiriert:
Katastrophal verdient
Wir haben uns geirrt.
Wir haben gedient
der Sucht nach Verdienst.
Und vergessen zu leben.
Wir haben uns verloren.
Wir haben uns verirrt.
Wir haben uns verdient.
Cla Gleiser meint
Vielen Dank Jobst. Eine feine und anregende Beobachtung.
Und Dein Gedicht … das trifft. Oder, um sprachlich bei der Sache zu bleiben: Da hast Du Dich nicht verdichtet.
Steigern liesse die Geschichte sich noch mit der Vorsilbe zer-, scheint mir. Da schwingt dann schon unverkennbar (ach, schon wieder das ver- !) das Ende mit.
Jelena meint
Sucker V-21 – Hahahahahaaaaa