verständlich

Bild. Sprache.

  • Illustration
  • Erklärvideos
  • #Pflegestolz
  • Pflege ist …
  • Skizzenbuch
  • Arbeiten
    • Pflegeinitiative
    • Selbstverzwergung der Pflege
    • Globis Wimmelrätselbuch
  • Meine Kunden
  • ich
  • Blog
  • Pflegestolz-Shop

Grönemeyer: Die Kraft der Bilder

14. Januar 2009 by Cla Gleiser 4 Kommentare

Weil eine unserer Töchter krank wurde, verbrachten wir Silvester anders als geplant, nämlich zu Hause. Dadurch bot sich immerhin die Gelegenheit, das eben auf DVD erhaltene Grönemeyer-Konzert anzusehen. Die Energie der Darbietung war beeindruckend, und zudem bot die Scheibe Untertitel, die mir erlaubten, die Texte lückenlos mitzuverfolgen. Denn ich muss zugeben: Wenn Herbert ins Mikro bellt, dann reisst bei mir manchmal der Faden. Nicht der Geduldsfaden, sondern der rote, an dem ich mich durch den Text führen lasse. Ich versteh einfach nicht alles. Aber was ich verstehe, zeugt von solcher “Sprachlust und Virtuosität” (so hat das Mike gesagt, und ich bin ganz einverstanden), dass es mich tief packt.

Einer meiner derzeitig liebsten Grönemeyer-Songs ist “Lache, wenn’s nicht zum Weinen reicht.” Hier zeigen sich deutlich die Qualitäten, die ich an Grönemeyers Texten so schätze. Gleich zur Eröffnung heisst es:

Tausend Haare in der Suppe
Und dein Löffel hat ein Loch
Es fällt keine Sternschnuppe
Deine Kerze hat keinen Docht

Diesen Bildern des ewigen Verlierers kann man sich kaum entziehen. Sie haben eine überwältigende Kommunikationskraft und transportieren Gefühlte, ohne direkt von ihnen zu sprechen. Zum Beispiel die Kerze ohne Docht. Das ist schlimmer, als einfach keine Kerze zu haben. Hier steckt mehr Verlust und mehr Enttäuschung drin – ohne dass diese direkt und kompliziert benannt werden müssen. Später dann:

Es steckt kein Geist mehr in der Flasche
Fürs Paradies fehlt die Fantasie
Die falschen Wünsche in Erfüllung
Keine Liebe, keine Poesie

Die falschen Wünsche in Erfüllung? – Jeder hat ja mal Glück, jedem wird mal ein Wunsch erfüllt. Das weiss man. Deshalb ist es viel schlimmer, den falschen Wunsch erfüllt zu sehen. Die Chance, dass der wichtigste Wunsch auch noch wahr wird, schrumpft dadurch auf ein Nichts zusammen. Wer auf der Strasse ein leeres Portemonnaie findet, wird kaum davon ausgehen, dass es sich dabei nur um die Vorstufe eines ergiebigeren Fundes handelt, der demnächst zu erwarten ist. (Ich weiss schon: Das Beispiel hinkt. Selbstverständlich würden wir alle ein Portemonnaie auf dem Fundbüro abgeben. Aber immerhin ist der Finderlohn bei sehr viel Geld höher als bei leer.)

Ich will diese Texte nicht mit Deutungen überfrachten. Es geht mir nicht um die Interpretation und schon gar nicht darum, Einfaches kompliziert zu machen. Vielmehr möchte ich die Kraft solch einfacher Bildsprache unterstreichen. In der Regel steht hinter so treffenden Bildern sehr viel Arbeit; ich vermute, das ist auch bei Herbert Grönemeyer nicht anders. Es klingt verspielt und leicht, aber der Weg dahin kann weit sein. Am Anfang steht ein Gefühl, das transportiert werden soll und am Ende ein schlichtes Bild, das dieses Gefühl klarer und kraftvoller auf den Punkt bringt, als tausend Sätze es könnten. – Und jetzt die gute Nachricht: Die Kraft dieser Bilder ist nicht der dichterischen Sprache vorbehalten. Warum sollte sie das sein? Sie darf in unserem alltäglichen Reden ihren Platz finden. Dieser Gedanke läuft in zwei Richtungen:

Wer öffentlich kommuniziert, Reden und Referate hält, wer Menschen ansprechen und überzeugen will, tut gut daran, hier nicht an Aufwand zu sparen. Treffende Bilder zu finden erscheint unverhältnismässig aufwändig. Schliesslich macht es den Eindruck, als würden sie dem Inhalt nichts mehr hinzufügen, sondern diesen nur noch dekorieren. Aber eine treffende Bildsprache ist viel mehr als Dekoration und kann dem Anliegen des Redners zum Durchbruch beim Publikum verhelfen.

Auch im Alltag hat das Bilderreden seine Berechtigung. Zunächst einmal macht es die Kommunikation einfach farbiger und schöner, was eigentlich schon Grund genug ist. Dann aber kann es auch als Übungsfeld dienen. Hier hat man keine Zeit für grosse Vorbereitungen, aber wenn wir uns angewöhnen, unsere Worte durch Bilder lebendiger zu machen, dann bringt das wertvolle Erfahrungen für das Referieren mit Bildern. Mit der Zeit wird diese Art, Dinge auf den bildhaften Punkt zu bringen, zu einem Teil unseres normalen Redens und Schreibens. Es wird leichter, wirklich passende Bilder zu finden, weil wir die Welt um und in uns anders, bildhafter eben, wahrnehmen.

Eine weitere gute Übungsmöglichkeit: Grönemeyer hören. Ich empfehle “Lache, wenn’s nicht zum Weinen reicht” und “Unbewohnt”. Zum Einstieg.

groenemeyer_web

Ähnliche Beiträge

Kategorie: Von den Besten lernen Stichworte: Bildsprache, Grönemeyer, Metapher, Rhetorik

Kommentare

  1. Thomi Horath meint

    14. Januar 2009 um 20:49

    Frei wie der Wind reitet sie über die weissen Felder. Die Kälte weht ihr durchs offene Haar. Gegen Osten dem wärmenden Strahl entgegen. Niemand vermag zu folgen. Voyage, Voyage…

    Just trying your suggestion…

    Antworten
  2. David meint

    15. April 2009 um 20:00

    Ja, Grönemeyer hat wirklich coole Texte – und vorallem nicht solche, wo er nicht so platte Bilder verwendet wie andere. Man darf/soll/darf darüber nachdenken.

    Übrigens auch ein sehr guter Text, wenn auch etwas direkter und einfacher: Freiheit von Curse. Auf youtube frei lieferbar :-). Empfehlenswert und überdenkenswert.

    Antworten
    • Cla Gleiser meint

      16. April 2009 um 10:01

      Vielen Dank für den Tipp, David. Der Typ hat eine coole Frisur… 😉

      Antworten

Trackbacks

  1. verständlich » Grönemeyer: Ein verblüffender Nachtrag sagt:
    3. Juli 2009 um 09:27 Uhr

    […] « Grönemeyer: Die Kraft der Bilder “zusammen schreiben” oder “zusammenschreiben”? » Jan 15 2009 […]

    Antworten

Schreibe einen Kommentar zu verständlich » Grönemeyer: Ein verblüffender Nachtrag Antwort abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Cla Gleiser | Schützenstrasse 7 | 8800 Thalwil | Schweiz | cg@verstaendlich.ch | +41 (0)43 536 70 28
Impressum | Datenschutz | Cookies

Cookie-Zustimmung verwalten
Um dir ein optimales Erlebnis zu bieten, verwenden wir Technologien wie Cookies, um Geräteinformationen zu speichern und/oder darauf zuzugreifen. Wenn du diesen Technologien zustimmst, können wir Daten wie das Surfverhalten oder eindeutige IDs auf dieser Website verarbeiten. Wenn du deine Zustimmung nicht erteilst oder zurückziehst, können bestimmte Merkmale und Funktionen beeinträchtigt werden.
Funktional Immer aktiv
Die technische Speicherung oder der Zugang ist unbedingt erforderlich für den rechtmäßigen Zweck, die Nutzung eines bestimmten Dienstes zu ermöglichen, der vom Teilnehmer oder Nutzer ausdrücklich gewünscht wird, oder für den alleinigen Zweck, die Übertragung einer Nachricht über ein elektronisches Kommunikationsnetz durchzuführen.
Präferenzen
Die technische Speicherung oder der Zugriff ist für den rechtmäßigen Zweck der Speicherung von Präferenzen erforderlich, die nicht vom Abonnenten oder Benutzer angefordert wurden.
Statistiken
Die technische Speicherung oder der Zugriff, der ausschließlich zu statistischen Zwecken erfolgt. Die technische Speicherung oder der Zugriff, der ausschließlich zu anonymen statistischen Zwecken verwendet wird. Ohne eine Vorladung, die freiwillige Zustimmung deines Internetdienstanbieters oder zusätzliche Aufzeichnungen von Dritten können die zu diesem Zweck gespeicherten oder abgerufenen Informationen allein in der Regel nicht dazu verwendet werden, dich zu identifizieren.
Marketing
Die technische Speicherung oder der Zugriff ist erforderlich, um Nutzerprofile zu erstellen, um Werbung zu versenden oder um den Nutzer auf einer Website oder über mehrere Websites hinweg zu ähnlichen Marketingzwecken zu verfolgen.
Optionen verwalten Dienste verwalten Verwalten von {vendor_count}-Lieferanten Lese mehr über diese Zwecke
Ich wähle selber aus.
{title} {title} {title}