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„überzeugt“ oder „überzogen“?

12. Mai 2009 by Cla Gleiser 18 Kommentare

Das gibt es wohl nur in der Schweiz. Nur hierzulande haben Menschen eine so starke Meinung, dass sie von einer Sache richtiggehend überzogen sind. Andernorts gibt man sich damit zufrieden, überzeugt zu sein. Leider ist überzogen in diesem Zusammenhang falsch, aber immerhin handelt es sich um einen Fehler mit Charme. Wenn ein Schweizer voller Leidenschaft von einer Sache erzählt, von der er überzogen sei, dann sehe ich ihn vor meinem inneren Auge stets ganz eingehüllt vom Objekt seiner unumstösslichen Meinung. Eigentlich ein passendes Bild. Der Grammatik tut es aber Gewalt an.

Wieder einmal ist es recht einfach: Das Partizip (das ist die Form, von der wir hier sprechen) von überzeugen ist überzeugt, während überzogen von überziehen abgeleitet wird. Dass das falsche überzogen im Schweizer Hochdeutsch doch ab und zu zu hören ist, hängt sicher damit zusammen, dass die schweizerdeutschen Dialekte sich grosser grammatischer Freiheit erfreuen. Dort ist überzogen vielerorts gang und gäbe. (Leider weiss ich nicht genau, wo. Wenn meine geschätzten Leser einen Kommentar hinterlassen möchten, auf dem sie die von ihnen bevorzugte Variante zusammen mit dem Ort nennen, an dem sie aufgewachsen sind, dann können wir gemeinsam eine Dialektkarte erstellen.) So ist es ja nicht verwunderlich, dass es auch im Schweizer Hochdeutsch immer wieder einmal auftaucht. Falsch bleibt es aber trotzdem. Überzogen sind Polstermöbel, überzeugt sind Menschen.

Ich gebe noch kurz dem Drang nach, mich zu rechtfertigen: Nachdem mein Artikelchen über “Anfang Jahr” oder “anfangs Jahr” der mit Abstand am häufigsten gelesene Post ist, fühle ich mich ermutigt, meinem Empfinden für Recht und Ordnung hier ungehemmter Ausdruck zu verleihen. Ich werde also öfter mal sagen, was falsch ist.

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Kategorie: Allgemein Stichworte: Rechtschreibung, überzeugt, überzogen, Zweifelsfälle

Kommentare

  1. Tobias Lampert meint

    12. Mai 2009 um 15:32

    Also, ich kenne überzogene Menschen, bzw. Menschen, die überzogen agieren. Das nennt man dann wohl „affektiertes Verhalten“. 😉

    Antworten
  2. Max meint

    9. Juni 2010 um 08:32

    Also ich habe mich nach 60 Jahren überzeugen lassen, dass es eigentlich auch im Dialekt falsch ist, wenn von etwas „überzoge“ bin…

    Antworten
  3. Cla Gleiser meint

    9. Juni 2010 um 20:05

    @Max
    Recht so. Deine sprachliche Beweglichkeit freut mich. Und doch ist es halt so, dass „überzogen“ in verschiedenen Dialekten etabliert ist (was ja noch nicht heisst, dass es auch korrekt sein muss).

    Antworten
  4. Stefan Heimers meint

    25. Mai 2011 um 17:49

    Ich gehe davon aus, dass „überzoge“ im Sinne von „überzeugt“ kein ursprüngliches Dialektwort ist, sondern irgendwann spasseshalber als Wortspiel entstand, und sich dann verbreitet hat. Das erklärt, weshalb man es nicht örtlich zuordnen kann, es gibt vermutlich keine Gegend in der Schweiz wo alle „überzoge“ statt „überzeugt“ sagen. Erstmals gehört habe diesen falschen Ausdruck etwa Anfang der 90er Jahre. In Basel wo ich herkomme heisst es richtig „überzügt“, ernsthaft sagt da niemand „überzoge“.

    Ähnliches gilt auch für die Redewendung „Es spielt kein Rugel“ statt „Es spielt keine Rolle“. Auch das ist ein Witz und nicht ein originaler Dialektausdruck.

    Antworten
    • Cla Gleiser meint

      25. Mai 2011 um 22:34

      Danke, Stefan. Eine anregende Erklärung. Es fällt mir allerdings schwer, nachzuvollziehen, welchen Zweck jemand mit einem solchen Witz verfolgen könnte. Warum sollte jemand „überzogen“ anstatt „überzeugt“ lustig finden? Solltest Du jedoch recht haben (auch mit Deiner Einschätzung der Zeit), dann würde das bedeuten, dass dieser Witz sich in zwanzig Jahren vom gezielten Blödsinn zum durchaus ernstgemeinten Baustein des Alltagsvokabulars nicht weniger Zeitgenossen gemausert hat.
      Und zum Rugel: Ich denke schon, dass Rugel ein Dialektausdruck ist, der zudem durchaus eine Bedeutungsverwandschaft mit Rolle zeigt. Somit ist es für mich nachvollziehbar, dass jemand auf die Idee kommt, die Wendung keine Rolle spielen auf diese Art zu „helvetisieren“.

      Antworten
  5. Stefan Heimers meint

    26. Mai 2011 um 12:44

    Ich habe noch weiter recherchiert. Das Mundartlexikon von Radio DRS kennt das Wort „überzoge“ auch:

    http://www.drs1.ch/www/de/drs1/themen/mundartplattform/160407.mundartwort.html

    Antworten
    • Cla Gleiser meint

      27. Mai 2011 um 06:45

      Wow. Das kannte ich noch gar nicht. Danke für den wertvollen Hinweis. Interessant finde ich, dass der Lexikoneintrag den Ursprung von überzoge so eindeutig der Jugendsprache zuordnet.

      Antworten
  6. Ulrich Niederhauser meint

    28. Juni 2012 um 19:49

    Überzogen oder überzeugt.
    Wir wissen: überzeugt ist richtig.
    a)Woher stammt der falsche Ausdruck und
    b)warum wird er dauernd verwendet?
    a) Es gibt einen Ausdruck für die „Geburtshilfe“ von eigentlich unmöglichen Wörtern, die sehr beliebt ist bei Germanistikern und Lateiner. Leidr weiss habe ich vergessen, wie man einem solchen Konstrukt sagt. Ich bin aber sicher, dass die Geburtsstunde von „überzogen“ in diese Richtung geht.
    b) Geschwollen reden ist in. Die Nicht-Wissenden interpretieren dies als „Mass“ der Allgemeinbildung. Ausserdem hebt es ab. Diese Ausdruckweise ist halt „mega giga geil“ sicher nicht „hämu“, das wäre bereits wieder einfältig.

    Antworten
    • Christian Kobel meint

      25. Oktober 2016 um 15:41

      Das scheint mir die plausibelste Erklärung zu sein.

      Antworten
  7. Irma meint

    23. April 2013 um 09:45

    Hi, just wanted to tell you, I enjoyed this blog post. It
    was funny. Keep on posting!

    Antworten
    • Cla Gleiser meint

      26. April 2013 um 07:45

      And you did.
      Tell me, I mean.

      Antworten
  8. der Germanost meint

    23. April 2018 um 23:55

    Zur Partizipienklärung, die auch im Dialekt funktioniert:
    „Nachdem ich die Bettwäsche frisch bezeugt hatte, haben meine Frau und ich unabsichtlich einen Sohn gezogen. Unabsichtlich, weil das Kondom ein fehlerhaftes Erzeugnis war, Durex hatte es falsch erzogen. Leider waren wir bei diesem misslichen Ereignis allein, so dass vor Gericht keine Zeugen beigezeugt werden konnten. Unsere Beteuerungen blieben also gänzlich unbezogen.

    Antworten
  9. Corinne meint

    2. August 2022 um 19:21

    Ich sage auch überzogen. Ich bin im 6173 Flühli LU aufgewachsen. Wir im Entlebuch sagen übrigens auch „Dröi“ in der 3…

    Antworten
    • Cla Gleiser meint

      9. August 2022 um 09:56

      Danke für Deinen Kommentar, Corinne. Mir ist «überzogen» tatsächlich vor allem aus dem Luzernischen bekannt. «Dröi» hingegen habe ich noch gar nie gehört. Sehr interessant. Merci nochmals und liebe Grüsse, Cla

      Antworten
    • Nati Getzmann meint

      1. April 2023 um 12:29

      Hallo
      Genau, ich hätte auch gesagt, im Kanton Luzern sagen fast alle“ überzoge“ – ich glaube hier gehört das zum Dialekt. :o(

      @Cla Gleiser: Danke für die „Aufklärung“ :o)

      Antworten
      • Cla Gleiser meint

        5. April 2023 um 09:48

        Danke, Nati, für Deinen Kommentar. Ich staune oft über diese Vielfalt, die wir in unseren Dialekten auf doch recht kleinem Raum entdecken können. Macht Freude und ist immer interessant.

  10. Bettina meint

    7. August 2023 um 14:49

    Ich gehöre zu den Menschen, die sich vom Wort „überzogen“ regelrecht getriggert fühlen. Es ist einfach falsch und lässt sich auch nicht mit Dialekten schönreden, finde ich. Ich denke, es ist einfach ein Wort, das sich fälschlicherweise etabliert hat, weil es für viele wohl ähnlich klingt. Ich hab mal eine Kolumne dazu verfasst :

    Viele Leute behaupten, es gäbe im Schweizerdeutschen keine Grammatik. Man dürfe schreiben und sprechen wie man wolle. Es stimmt aber nicht. Gerade neulich hatte ich mit ein paar Freunden eine lange Diskussion deswegen. Es gibt ein gutes Beispiel für ein Wort, das im Schweizerdeutschen oft falsch verwendet wird. Das Wort «überzeugt». Viele Schweizer sagen «Ich bin überzoge». Überzogen kann man jedoch höchstens mit Schokolade sein. Es ist ganz einfach das falsche Wort, das hier verwendet wird. Diese Diskussion zog sich ins Endlose, weil einige meiner Bekannten darauf beharrten, dass man das umgangssprachlich so sagen könne. Ich bleibe bei meiner pedantischen Meinung, dass es schlicht nicht korrekt ist. Schweizerdeutsch ist eine ganz normale Sprache, wie jede andere auch. Und deswegen kann man nicht einfach
    Worte falsch gebrauchen und es Dialekt nennen.
    Ein weiterer Punkt, der mich auf die Palme bringen kann: Wenn im Schweizerdeutschen geschrieben wird und die Phonetik nicht stimmt. Auch hier gibt es ein Beispiel, das ich in meinem Umfeld häufig erlebe. Das Wort «öppis». Für mich schreibt man es ganz klar so. Weil «öpis» würde
    bedeuten, dass das Ö als langer Vokal betont wird. Damit wäre es wohl die Mehrzahl von Opa. Auch «öbis» ist nicht korrekt, da hier das Ö betont und lange ist – und es wie die Mehrzahl von Obi klingen würde. Bei «öbbis» hört es bei mir ganz auf. Das Ö wäre kurz und hätte durch die
    beiden Bs einen falschen Klang. Es ist aus phonetischer Sicht also ein klarer Fall: Man schreibt «öppis». Man lernt ja immer dazu. So habe ich jetzt gelernt, dass es nichts Mühsameres gibt, als phonetische Betonungen schriftlich zu erläutern. Obwohl: Es gibt vielleicht doch noch etwas, das mühsamer ist: So eine Kolumne zu lesen. An dieser Stelle ein Sorry. Aber das Thema ist mir als Spachliebhaberin wichtig, ich konnte es einfach nicht sein lassen. Ich bin überzogen, Sie verstehen das!

    Antworten
    • Cla Gleiser meint

      16. August 2023 um 10:28

      Danke vielmals, Bezzy, für Deinen engagierten Kommentar – und auch für den Einblick in Deine Kolumne. Ich finde es tröstlich, dass auch andere sich für sprachliche Nischenthemen begeistern können. 🙂
      Ich kann Dein Empfinden gut nachempfinden, sehe es aber etwas elastischer. Zu «überzogen»: In meinen Ohren klingt es auch falsch. Aber: Ich könnte mir auch vorstellen (ohne dies recherchiert zu haben), dass wir es mit alternativen Formen zu tun haben. Ähnlich, wie man etwa aus dem Verb «winken» die Partizipformen «gewinkt» wie auch «gewunken» bilden kann. Beides ist korrekt (obwohl «gewunken» für mich sehr nach Dialekt klingt). Horrorszenario: Vielleicht befinden wir uns in einer sprachlichen Übergangsphase von «überzeugt» zu «überzogen», und in zwanzig Jahren ist nur noch Letzteres korrekt.
      Zum Dialektschreiben: Natürlich – da bin ich 100% einverstanden – kann man nicht einfach schreiben, wie man will. Sprache dient ja der Kommunikation und beruht dabei auf Vereinbarungen zum Gebrauch, sonst könnten wir einander nicht verstehen. Allerdings fallen da die dialektalen Unterschiede in unserem kleinen Land schon ins Gewicht. Wenn ein Mensch in seinem Sprechen das P in «öppis» einen Hauch weicher empfindet als ich und es darum nur einmal hinschreibt, finde ich das in Ordnung. Sinnvoll scheint mir einzig, wenn man dann auch dabei bleibt.
      War grad noch auf Eurer Website. Tolle Musik! (Ist das eine echte Hammond B-3?) Follow auf Spotify, eh klar.
      Liebe Grüsse, Cla

      Antworten

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