Letzte Woche habe ich über hinkende Vergleiche geschrieben, mit denen die Meinungsbildung beeinflusst werden soll. Doch nicht nur die unpassende Gegenüberstellung von eigentlich nicht vergleichbaren „Gegensätzen“ ist ein wirkungsvolles Werkzeug der Manipulation. Auch mit durchaus passenden Alternativen kann die Meinung unfair beeinflusst werden. Es kommt einzig auf die Auswahl an.
A oder B?
Jemand drückte mir einen Ausdruck einer Webseite in die Hand, die Kaffeetrinker bei der Entscheidung unterstützen will, welche Art von Kaffeemaschine anzuschaffen sei. Das beginnt so:
Kapselsystem oder Vollautomat? Sie möchten eine neue Kaffeemaschine kaufen und fragen sich nun, welches Produkt passt zu mir oder macht für mich Sinn.
Ein Kaffeevollautomat oder eine Kaffeemaschine mit Kapseln.
Wir möchten Ihnen die zwei Varianten einmal etwas näher vorstellen.
Und dann folgt eine wirklich gelungene Gegenüberstellung der beiden Varianten mit Vor- und Nachteilen, die in der entwaffnenden Kostenrechnung für 2 Jahre Kaffeegenuss endet. Für die Berechnung nimmt der Verfasser für Kapselmaschinen einen Preis von 50 Rappen pro Kapsel an, für den Vollautomaten 10 Rappen pro Tasse (8 Gramm Kaffee bei einem Kilopreis von 12 CHF). Das Ergebnis: 5 Tassen Kaffee pro Tag kosten in 2 Jahren
- mit Kapselmaschine 1750 CHF
- mit Vollautomat 350 CHF
Im blendenden Licht dieser Zahlen sind auch die unterschiedlichen Anschaffungskosten nicht mehr relevant. (Hier geht der Verfasser von folgenden Zahlen aus: Kapselmaschine ab 200 CHF, Vollautomat ab 800 CHF. ) Stattdessen bleiben einem sämtliche Einwände im Halse stecken, wo man sie mit einem Schluck Kaffee leicht hinunterspülen kann.
Und C? – Und D?
Ausser folgendem:
Kapselsystem oder Vollautomat?
Das ist meine Auswahl.
Weshalb?
- Was ist mit Kolbenmaschinen? (Meine hat 99 CHF gekostet.)
- Oder klassischen Espressokochern? (Anschaffungskosten ab 30 CHF)
- Was mit French Press? (Anschaffungskosten ab 30 CHF)
- Oder einer coolen Vakuum-Maschine? (Anschaffungskosten ab 90 CHF)
- Und auch das noch: Filterkaffee gefällig? (Anschaffungskosten ab 20 CHF)
Empfehlungen für Manipulatoren
Die Entscheidung des Publikums lässt sich steuern, wenn Du es nur zwischen von Dir bereits vorsortierten Varianten entscheiden lässt. Wähle dabei jene Alternativen, die Deine Lösung im Vergleich als die allerbeste erscheinen lassen. Das Lustige daran: Die Menschen haben dann tatsächlich das Gefühl, eine gut begründete Entscheidung getroffen zu haben und sind womöglich gar noch dankbar dafür, so gut informiert worden zu sein.
Die Wirkung lässt sich noch verstärken, wenn die verwendeten Zahlen (Kosten, Zeit, statistische Werte) jeweils dem unteren oder oberen Rand des Spektrums entnommen werden. Deine Lösung wirkt in diesem Rahmen noch sinnvoller, die Scheinalternative noch abwegiger. So dürfte im Kaffeemaschinenvergleich der Kilopreis von 12 CHF eher tief, der Kapselpreis von 50 Rappen hingegen eher hoch angesetzt sein (wenn beide Zahlen sich auch durchaus im realistischen Rahmen bewegen).
Werner Bochmann meint
Hallo Herr Gleiser
Ich bin der Verfasser des oben erwähnten Manipulationsberichtes. Ich weis jetzt nicht recht, ob ich Stolz auf mich sein soll, oder ob ich mich ärgern soll. Werden wir nicht jeden Tag manipuliert? Nachdem ich Ihren Bericht gelesen habe, haben Sie mich schon so stark manipuliert, dass ich mich dazu hinreissen liess, hier meinen Kommentar ab zugeben. Als Fachhändler habe ich die Variante A und B gewählt, weil genau diese zwei Varianten zu 95% gewählt werden. Als Fachhändler wird eine kompetente Beratung von mir erwartet. Beratung gleich Manipulation? Ja, kann man so sehen. Ich beeinflusse, oder erleichtere dem Kunden die Entscheidung. Aber genau deswegen gehen die Leute in den Fachhandel, (oder lesen meine Berichte) weil sie unschlüssig sind und eine Beratung möchten. Wer eine Kolbenmaschine für 99 CHF möchte, braucht meine Beratung nicht und geht sowieso zum Discounter um die Ecke. (Mit verbundenen Augen, da die Manipulation schon vor dem Eingang anfängt) Was die Variante D bis Z betrifft: man könnte auch ein Feuer aus Sturmholz entfachen und eine gebrauchte Blechdose mit Seewasser (hochwertiger ist Quellwasser) und löslichem Kaffeepulver drin erhitzen. Das wäre dann wohl die billigste Variante. Was mein Preisbeispiel betrifft. Für 12 CHF bekomme ich schon guten Bohnenkaffee, für 24 CHF schon sehr guten Kaffee (20 Rappen Tassenpreis). 50 Rappen für eine Kapsel ist der Durchschnittspreis vom grössten und umsatzstärksten Manipulator von Kaffeeprodukten. (Name der Red. bekannt). Wenn also Beispiele oder Anregungen Manipulationen sind, dann habe ich wohl voll ins Schwarze getroffen. Ich kann aber damit leben und habe auch viele zufriedene, manipulierte Kunden. Ich hoffe, dass mein Kommentar Sie nochmals die Kritik an meinem Rechenbeispiel überdenken lässt. Wobei ich Ihre Kompetenz als Kritiker und Manipulator (was Sie zwangsweise sein müssen) nicht in Frage stellen möchte.
Freundliche Grüsse
W. Bochmann
Cla Gleiser meint
Guten Tag Herr Bochmann
Danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben, so ausführlich auf meinen Artikel zu reagieren. (Ehrlich gesagt: Ich hatte es ein bisschen auf eine Reaktion gehofft und unter anderem auch deshalb den Link auf Ihre Seite gesetzt.)
Sie haben Recht: Wir werden jeden Tag manipuliert. Schliesslich hat jeder seine Überzeugungen, mit denen er bei anderen landen möchte. Für den Verkauf versteht sich das von selbst. Schliesslich will man etwas verkaufen. Wenn ich im Verkauf eine unvoreingenommene Beratung erwarte, bin ich blauäugig. In der Politik sieht es schon ein bisschen anders aus, wenn jemand vorgibt, die Interessen der Allgemeinheit zu suchen und dann so fadenscheinig argumentiert, wie ich es in diesem Artikel beschrieben habe. Mein Anliegen ist es, fair und transparent zu argumentieren. Das heisst nicht, dass ich meine Interessen unterdrücke, aber es heisst, dass ich sie immerhin nicht verschleiere und Argumente liefere, von denen ich aufrichtig sagen kann, dass sie ziehen.
Ihren Text zur Wahl des Kaffeesystems finde ich durchaus gelungen: Sie führen den Leser mit nachvollziehbaren Schritten zu einer Entscheidung. Und in Ihrem Kommentar folgt nun auch noch die Begründung für die beschränkte Auswahl. Diese Begründung, finde ich, dürfte durchaus Platz in Ihrem Text finden, dann ist auch gleich klar, weshalb Sie die anderen Alternativen nicht einschliessen. Ich fände das wissenswert.
Gleichzeitig lieferte dieser Text mir ein wunderschönes Beispiel für ein bestimmtes Manipulationswerkzeug, das durchaus nicht nur in so harmlosen Kontexten wie der Wahl einer Kaffeemaschine zum Einsatz kommt. Und dann kann es brisant werden. Die Abstimmungskampagnen der letzten Jahre zum Beispiel sind voll von Scheinalternativen, in denen die Stimmbürger glauben gemacht werden sollten, dass sie nur die Wahl zwischen A und B hätten, und dass die Entscheidung gegen A automatisch B zur Folge haben würde.
Dass Sie viele zufriedene Kunden haben, glaube ich Ihnen sofort. Die fachliche Kompetenz und das Engagement für Ihr Produkt, die mir aus Ihrem Text entgegenkommen, bleiben sicher nicht ohne „Echo“. Und selbstverständlich wollte ich weder das eine noch das andere in Frage stellen.
Ich grüsse Sie freundlich
Cla Gleiser